SADO - STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF

Originaltitel BUIO OMEGA
Alternativtitel BEYOND THE DARKNESS (Export-Titel)
BURIED ALIVE (USA)
BLUE HOLOCAUST (Großbritannien)
FOLIE SANGLANTE (Frankreich)
DEMENCIA (Spanien)
IN QUELLA CASA (italienischer Wiederveröffentlichungs-Titel)
BLUTIGER WAHNSINN (deutscher Bootleg-Titel)
SADO - ICH STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF (deutscher Bootleg-Titel)
MROCZNY INSTYNKT (polnischer Videotitel)
DETRAS DE LA OSCURIDAD (venezuelanischer Videotitel)
   
Land und Jahr Italien 1979
   
Regie Joe D'Amato [= Aristide Massaccesi]
Produktionsfirma D.R. per Communicazione di Massa
Drehbuch Ottavio Fabbri
Story Giacomo Guerrini
Kamera Aristide Massaccesi
Schnitt Ornella Micheli
Musik Goblin
Regieassistenz Donatella Donati
Kameramann Enrico Biribicchi
Schnittassistenz Bruno Micheli
Ausstattung Ennio Michettoni
Kostüme Mario Paladini
Make-Up-Effekte keine Angabe!
Sound-Effekte Renato Marinelli
Produktionsleitung Oscar Santaniello
   
Darsteller Kieran Canter (Francesco), Cinzia Monreale (Anna/Teodora), Franca Stoppi (Iris), Sam Modesto (Cossuto), Anna Cardini, Lucia D'Elia, Simonetta Allodi, Klaus Rainer, Edmondo Vallini, Mario Pezzin, Walter Tribus u. a.
   
deutsche Erstaufführung 14.11.1980
Verleih cfc-Contact-Film GmbH
Format 1:1,85 (Telecolor/Eastmancolor)
Laufzeit 93 Minuten (= 2539 Meter, deutsche Kino-Version); Originallänge: 93 Minuten
Home-Entertainment Video:
Videophon (ungeschnitten);
Astro (ungeschnitten, als BUIO OMEGA);
JPV (ungeschnitten, als BLUTIGER WAHNSINN);
Thriller Video, USA (geschnitten);
AVI, Großbritannien (stark geschnitten);
Bestvideo, Niederlande (89:37 Minuten, ungeschnitten, 1:1,37, als BEYOND THE DARKNESS);
MPM, Frankreich (90:24 Minuten, ungeschnitten, letterboxed, als FOLIE SANGLANTE);
Ars Video, Polen (geschnitten, als MROCZNY INSTYNKT);
Rex Films, Griechenland (ungeschnitten, letterboxed);
Star Video, Italien (um einige wenige Sekunden geschnitten, letterboxed);
Venezuela (Label unbekannt, ungeschnitten, als DETRAS DE LA OSCURIDAD).
DVD:
CMV (ungeschnitten, 1:1,66).

 

"Der Verleih empfiehlt, nur Erwachsenen über 21 Jahren den Zutritt zu gestatten."

(Verleihwerbung)

 

SADO, eine Legende unter den Teenagern der frühen 80er Jahre, gehört immer noch zu den populärsten italienischen Horrorschockern. Dies ist vor allem der Beschlagnahme der VIDEOPHON-Kassette zu verdanken, die daraufhin zu einer sehr großen Rarität geriet und auf Filmbörsen nicht selten Preise bis zu 1000 DM erzielte. Die meisten werden den Film deshalb beim ersten Mal nur in miserablen Dritt- oder Viertabzügen der von Hause aus schon nicht so tollen Videokassette gesehen haben. So erging es auch dem Verfasser dieser Zeilen.

Aufmerksam wurde ich auf Aristide Massaccesis Exploitation-Werk 1980 beim Besuch einer Godzilla-Jugendvorstellung im alten KV-Theater in Gelsenkirchen-Buer. Im regulären Programm lief damals auch ein Film namens SADO. Das eindrucksvolle Poster zeigte einen völlig zersetzten Schädel, der in einer schleimigen Suppe schwimmt. Das musste wohl Säure sein. Puhhh! Und dann die von meinem Bruder und mir seinerzeit völlig ernst genommene Empfehlung des Verleihs, den Film nur für Personen über 21 Jahren freizugeben. Mann, das musste ja ein Schocker sein. Wir hatten damals schon ASTARON und FREITAG, DER 13. im Kino gesehen. Harte Filme, aber dieser schien alles in den Schatten zu stellen. Die Aushangbilder waren auch nicht von schlechten Eltern. Viel konnte man darauf allerdings nicht gerade sehen, denn über den interessantesten Stellen prangten "Verboten"-Aufkleber. Dann gab es noch einige Schrifttafeln: "... man schüttelt sich vor Entsetzen, wenn Frank der amerikanischen Studentin Kelly die Fingernägel mit der Zange ausrupft und das Mädchen ..." Neeee, den wollten wir besser nicht sehen. Der war wohl echt zu schlimm für uns. Dann doch lieber Godzilla.

Bald kam SADO dann auch schon auf Video heraus. Das bekamen wir aber nicht so mit, denn nur wenige, wie zum Beispiel Cousine Doris, hatten überhaupt einen Videorecorder. Das waren sehr schwere Maschinen, sehr teuer und wir mochten sie nicht, weil wir als Kinofans Super 8 bevorzugten. Video, das war doch nur Fernsehen. Doris hatte immer schon die neuesten Filme - manchmal gerade erst im Kino gelaufen - auf Video. Das war bestimmt nicht legal, und die Qualität der Aufnahmen abenteuerlich. Außerdem schlummerten Abzüge von Verleihkassetten in ihrem Archiv, ebenfalls in Horrorqualität. Trotz allem ließen wir uns doch ein paar Mal locken, der Reiz des Exklusiven und Verbotenen war zu groß. Ich erinnere mich nicht, bei Doris jemals eine Original-Verleihkassette gesehen zu haben.

Video verfügte scheinbar immer über eine miserable Bild- und vor allem Tonqualität. Sobald eine leise Stelle im Film vorkam, gab es ein schreckliches Ton-Brummen. Vielleicht lag das alles aber auch daran, dass Doris ihre Kopien auf ganz besondere Weise herstellte. Weil Recorder - wie oben bereits erwähnt - damals unglaublich teuer waren, konnte sie sich nur eine Maschine leisten. Da traf es sich gut, dass Familie Koch von fast nebenan (Luftlinie 200 Meter) ebenfalls ein Gerät besaß. Das ewige Hin- und Hertransportieren war Doris aber irgendwann zu umständlich, also verfiel man auf einen besonderen Trick. Im Garten wurde ein Antennenkabel verlegt, dass von Recorder zu Recorder führte (Scart-Kabel gab es wohl noch nicht). 200 Meter Antennenkabel, versenkt in guter deutscher Gartenerde. Jede Videokopie war jetzt eine fast generalstabsmäßige Veranstaltung, alles per Kommando übers Telefon gesteuert:

Schritt 1: Original-Kassette einlegen
Schritt 2: Anruf bei Kopierpartei Nummer 2
Schritt 3: Einlegen der Aufnahmekassette und starten der Aufnahme
Schritt 4: Abfahren der Original-Kassette

Das lange Kabel förderte nicht gerade die Qualität der Aufnahmen. Kriminell wurde die Sache allerdings, wenn man zu einem späteren Zeitpunkt auch noch Kopien der Kopien anfertigte. Dann war der Ofen wirklich aus. Manchmal enthielt das Bild kaum noch Farbe. MAN-EATER, damals (auch schon vor der Beschlagnahme) ein sehr heißer Titel, schwummerte so sehr vor sich hin, dass man schon viel Phantasie aufbringen musste, um der sowieso schon kargen Handlung überhaupt folgen zu können.

SADO habe ich übrigens nicht bei Doris gesehen.

Mein Schulfreund Thomas wohnte in Gelsenkirchen-Erle, über einem Fotoladen. Dort gab es zu Anfang des Videobooms auch Videos. Da Thomas die Tochter des Fotohändlers gut kannte, war es möglich im Laden Kopien der neuesten Videos herzustellen.

Beim Waldlauf während der Sportstunde erzählte Thomas mir und unserem gemeinsamen Kumpel Achim von zwei neuen Titeln, die er "reinbekommen" hätte: ZOMBIE und SADO. Wenn wir Lust hätten, könnten wir die am Nachmittag gucken, seine Eltern seien nicht zu Hause. SADO und ZOMBIE, zwei sagenumwobene Schocker, die beide im KV-Theater gelaufen waren. Na gut. Dann sollte es wohl sein.

Nachmittags trafen wir uns im Wohnzimmer von Familie K. Als erstes stand SADO auf der Speisekarte. Ich muss sagen, dass der Film keinen von uns sonderlich beeindruckte. SADO schien uns sehr langweilig und die wenigen Spezialeffekte (z. B. die im Schaukasten so angepriesene "Fingernagel-Szene") empfanden wir als sehr luschig gemacht. Einzig die Sequenz, in der Frank die Leiche seiner Freundin ausstopft, mutete teilweise sehr effektiv an, besonders die Hirnpumpe war toll. Das kannte ich allerdings schon aus Büchern über die Mumifizierungsriten der alten Ägypter, die ich aus der Stadtbücherei ausgeliehen hatte. Sehr unrealistisch war das Öffnen des Bauches dargestellt. Die Attrappe erschien viel zu breit und ähnelte dem zierlichen Körper der Schauspielerin nicht im Mindesten. Dann kam die Stelle mit dem Schädel in der Säuresuppe. Na ja, das hatte auf dem Poster auch toller ausgesehen. Einen unerwarteten Höhepunkt bot dann noch die Szene, in der Frank sich übergeben muss, nachdem er seiner Haushälterin beim Verzehr einer Goulasch-Speise zugesehen hat. Das war wirklich eklig. Pfui Teufel! Die Großaufnahme des fressenden Frauenmundes ... echt zum Kotzen!

Danach passierte nicht mehr sehr viel und dann war der Film aus. Schnell die ZOMBIE-Kassette reingeschoben und weiter ging's. Doch auch ZOMBIE beeindruckte uns seltsamerweise nicht besonders. Wir hatten uns den Film viel härter vorgestellt. Die redeten uns viel zu viel, nee. Das war auch nicht so toll. Ja, so sind Kinder.

Am nächsten Tag in der Schule erzählte man natürlich prahlerisch von den soeben gesehenen Schockern und jetzt erschienen sie plötzlich gar nicht mehr so langweilig. Klar, das waren sehr gute und extrem harte Filme. Das musste man sich erst einmal trauen. So was Hartes zu gucken. Video war eigentlich doch nicht so schlecht, aber Super 8 war besser.

SADO, was ist wirklich dran, an diesem Film?

Mit dem Abstand von fast 20 Jahren betrachtet, gewinnt SADO doch beträchtlich und kann ohne Zweifel als eine von D'Amatos besten Arbeiten gelten. Die sogar sehr einfühlsam erzählte Geschichte des labilen Jungadeligen Frank (Kieran Canter), der seine soeben verstorbene Freundin (Cinzia Monreale) einbalsamiert, um sie für immer bei sich zu behalten, wird von D'Amato in stimmungsvollen Bildern erzählt. Besonders die unheimliche Beziehung Franks zu seiner Haushalterin Iris (genial verkörpert von der seltsam aussehenden Franca Stoppi) ist auch darstellerisch sehr gut herausgearbeitet. Weniger interessant ist die lustlos inszenierte Krimi-Nebenhandlung. Leider machen die Nachforschungen des Kommissars große Teile der zweiten Filmhälfte aus, was nicht unbedingt zur Spannung beiträgt. Als dann die Zwillingsschwester der Mumifizierten auftaucht, wird die Geschichte wieder etwas aufregender, aber so richtig kommt sie nicht mehr in Fahrt.

Herzstück des Films ist natürlich die ausgedehnte Präparations-Szene, die Regisseur D'Amato mit viel Liebe zum Detail ausspielt. Die Tricks sind dabei eher simpel, aber eine geschickte Tonkulisse intensiviert sie so stark, dass selbst heute an dieser Stelle noch ein kollektives "Ihhh!" durch den Kinosaal hallt. Schön eklig ist auch die Säure-Szene (allerdings geklaut aus TRIO INFERNAL mit Romy Schneider als Franca Stoppi) und der Höhepunkt der Widerlichkeit, die wirklich fiese Goulasch-Sequenz.

Großen Anteil am Gelingen des Films hat zudem der hervorragende Soundtrack von GOBLIN, welcher besonders zu Beginn in den tragischen Szenen im Krankenhaus wahre Wunder wirkt.

Alles in allem ist SADO ein einigermaßen effektiver, kleiner, billiger Schocker aus Italiens großer Horrorzeit, den man sich heute mit einem nostalgischen Gefühl immer noch gut ansehen kann. Jedoch verspricht die Legende wirklich mehr als das tatsächliche Werk letztendlich hält.

Nicht verschwiegen werden darf natürlich, dass SADO ein Remake des 1965 entstandenen Franco Nero-Frühwerks DAS DRITTE AUGE (IL TERZO OCCHIO aka THE THIRD EYE) ist. Die Handlung gestaltet sich fast 100% identisch, komplett mit ausgestopfter Freundin (die wunderbare Erika Blanc), Zwillingsschwester und fieser Haushälterin. Natürlich gibt es in dem Schwarzweiß-Film keine Gore-Exzesse zu bewundern und die härteste Szene zeigt die Präparation eines Greifvogels. Regisseur Mino Guerrini (verwandt oder identisch mit SADOs Ideenlieferant Giacomo Guerrini?) verlegt sich stattdessen auf die stimmungsvolle Schilderung der morbiden Geschichte und gibt Nero die Chance eine Italo-Variante des augenscheinlichen US-Vorbilds Anthony Perkins zum Besten zu geben. Dies gelingt ihm auch recht eindrucksvoll und man kann den Film guten Gewissens einen kleiner Klassiker nennen, der eine Wiederentdeckung lohnt.

© by HEINZ KLETT

 

 

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