EIN SUPERHEISSES DING

Originaltitel DOUBLE AGENT 73
   
Land und Jahr USA 1974
   
Regie Doris Wishman
Drehbuch Doris Wishman
Kamera Yuri Haviv
Special Effects B & O Film Specialists
   
Darsteller Chesty Morgan, Frank Silvano, Saul Meth, Jill Harris, Louis Burdi, Kurt Brandt u. a.
   
deutsche Erstaufführung 23.05.1975
Format 1:1,85
Verleih Nobis
Laufzeit 74 Minuten (= 2015 Meter, deutsche Kino-Version); Originallänge: 74 Minuten
Home-Entertainment DVD:
Something Weird Video/Image Entertainment, USA;
Siren DVD, Großbritannien (zusammen mit DEADLY WEAPONS [aka TEUFLISCHE BRÜSTE] als "Double Disc Special Edition Set - The Doris Wishman Collection Volume 1).

 

Es gibt Filme, die kann es eigentlich gar nicht geben. EIN SUPERHEISSES DING ist einer von ihnen.

In ihrem zweiten Leinwandepos erlebt Chesty Morgan, was es heißt, sich in der Welt der Geheimagenten zu bewegen. Superagentin Jane (im Original treffend DOPPELAGENTIN 73 genannt, wobei die "73" ihren Brustumfang in inch bezeichnet [= 183 cm!!!]), verbringt gerade ihren ersten Urlaub seit Jahren in einem gemütlichen Nudistencamp, als sie ans Telefon gerufen wird. Ihr gestrenger Chef beordert sie augenblicklich zurück ins Hauptquartier nach New York. Diesmal wartet ein außerordentlich schwieriger Auftrag auf sie.

Seit einiger Zeit treibt ein besonders skrupelloser Drogenboss sein Unwesen, der mit seiner Bande Tausende unschuldiger Bürger ins Jenseits befördert hat. Einzig sein Name, "Toplar", ist bekannt und die Tatsache, dass er eine Narbe hinter dem Ohr hat. Alle bisherigen Versuche ihn zu stellen sind gescheitert und endeten mit dem Tod des jeweiligen Agenten. Deshalb soll jetzt die Beste von allen in den Kampf geschickt werden.

Jane erhält eine Liste von Personen, die alle im Verdacht stehen Toplar zu sein. Ihr Auftrag lautet diese Personen aufzusuchen, auszuschalten und anschließend zu fotografieren. Die Auswertung der Fotos soll dann zur Identifizierung Toplars führen. Da es zu gefährlich wäre, offen einen Fotoapparat herumzutragen, implantiert man eine Kamera in Janes linke Brust. Ein leichtes Anheben derselben löst den Mechanismus aus und "Blitz" entsteht ein gestochen scharfes Bild.

Als sie nach der Operation aus der Narkose erwacht, muss Jane sofort erleben, wie gefährlich Toplar ist. Die scheinbar so freundliche Krankenschwester ist eine seiner Verbündeten und versucht Chesty ein Betäubungsmittel einzuflößen. Doch mit der cleveren Geheimagentin hat sie sich die falsche Gegnerin ausgesucht und schon bald liegt die Leiche der Verbrecherin am Boden und Chesty darf ihre ersten Fotos machen.

Der Moment des ersten Fotoklickens gehört zu den ganz großen Augenblicken der Filmgeschichte. Der Betrachter erlebt hier eines der wenigen wirklich einmaligen Ereignisse, die man so noch nie zuvor und auch danach nicht mehr gesehen hat.

Im Laufe der Handlung bekommt Jane Unterstützung von Tim (Frank Silvano), einem Kollegen vom Geheimdienst. Natürlich verlieben sich die beiden, aber Janes Pflichteifer will die Beziehung nicht so recht ins Rollen bringen. Nach und nach erledigt Jane einen Gangster nach dem anderen, bis sie schließlich in die Hände des sadistischen Igor Stotzky (Saul Meth) fällt. In dessen Unterschlupf wird Jane von Igor und seiner Freundin übel gefoltert.

Derweil bricht Unruhe im Hauptquartier aus. Wenn Jane nicht innerhalb der nächsten halben Stunde zurückkehrt, wird etwas Grauenvolles passieren. Was die Agentin nämlich nicht weiß: In ihrer Brust befindet sich neben der Kamera auch noch eine Bombe! Die Logik: Wenn Jane den Fall nicht bis zum Zeitpunkt der Zündung gelöst hat, dann muss sie sich in den Händen der Gangster befinden und dann wäre sie besser tot als lebendig!

Ob Jane die Flucht aus der Folterhölle gelingt, ob die Bombe noch entschärft werden kann, ob die Fotos etwas geworden sind kann und wer Toplar ist, all diese Fragen werden in den letzten, atemberaubenden Filmmetern geklärt!

Entsprungen ist dieser Irrsinn der Phantasie einer kleinen, freundlichen Amerikanerin mit dem unschuldigen Namen Doris Wishman. Frau Wishman drehte seit 1960 über 25 Filme im Sexploitation Bereich. Ihr Schaffen reicht vom stubenreinen Nudistenfilm über ruppige Scharzweiß-Sex-Melodramen bis zu dem bizarren Mondo-Ableger LET ME DIE A WOMAN, der sich mit den Problemen Transsexueller beschäftigt.

Ihre Filme zeichnen sich sämtlich durch tolle Titel (NUDE ON THE MOON, INDECENT DESIRES, A TASTE OF FLESH, MY BROTHER´S WIFE usw.) aus und sind ein Füllhorn seltsamster Ideen. So entdeckt in INDECENT DESIRES ein Penner im Mülleimer eine Puppe, die er mit nach Hause nimmt. Unterwegs sieht er ein hübsches Mädchen und in seiner Phantasie verschmelzen Puppe und Mädchen - werden eins. Alles was er nun der Puppe antut, geschieht auch mit der jungen Frau. Dies führt von harmlosen Liebkosungen zu einer unglaublichen Szene, in der er die Puppe entkleidet, bis zum schrecklichen Ende. Da seine Liebe nicht erwidert wird, dreht er der Puppe den Hals um, worauf auch das Mädchen mit gebrochenem Genick zu Boden sinkt.

Doris W. ist absolute Autodidaktin. Ins Regiegeschäft ist sie mehr zufällig gerutscht. Als ihr Mann sehr früh verstarb suchte sie nach Möglichkeiten sich abzulenken und zu beschäftigen. Mit dem Geld ihrer Schwester drehte sie ihren ersten Film: das Nudisten-Abenteuer HIDEOUT IN THE SUN. Anschließend ging es Schlag auf Schlag.

Die Filme von Frau Wishman sind oft von einer geradezu rührenden Naivität. Auch in technischer Hinsicht lassen sie für den ungeübten Zuschauer sehr viel zu wünschen übrig. Jedoch anzunehmen, sie hätte ihre Werke eilig hingeschludert um eine schnelle Mark zu machen, wäre grundlegend falsch. Sie selbst betont immer wieder, dass sie jeden Film mit Liebe und Sorgfalt herstellte, so gut es ihre Fähigkeiten erlaubten. Man muss einen Wishman-Film deshalb als absolut persönliches Statement verstehen. Fast könnte man sie als "Heimfilme" betrachten, nur dass sie eben auf 35mm entstanden sind.

Je mehr Filme man von dieser ungewöhnlichen Regisseurin sieht, desto besser versteht man sie und desto liebenswerter erscheinen sie. Bald entdeckt man alte Bekannte, in Form von Schauspielern, Requisiten, Musik, Archivbildern und Drehorten. Oft entstanden die Filme in Frau Wishmans eigener Wohnung in New York und unter den Darstellern befinden sich Verwandte und Bekannte. Wer gut hinhört, kann die Regisseurin auch akustisch in vielen Werken wiederfinden. Die meisten Produktionen drehte sie stumm, entweder weil sie die Tonfilmausrüstung nicht bezahlen konnte, oder um sich die Möglichkeit offen zu halten, die Filme im Schneideraum "neu erfinden" zu können. Oft schrieb sie ihre Werke nach dem Dreh noch um und erfand neue Dialoge, die sie dann natürlich nachsynchronisieren musste. Um Geld zu sparen, übernahm sie die eine oder andere Sprechrolle selbst. So kann man sie in der gruseligen Komödie KEYHOLES ARE FOR PEEPING als Mutter des Hauptdarstellers hören.

Mit EIN SUPERHEISSES DING legt Frau Wishman einen ihrer amüsantesten Filme vor. Haarsträubende Ideen, absurde schauspielerische Leistungen (allen voran die absolut "stoned" wirkende Miss Morgan) und eine tolle Musik (der peppige Titelsong sei allen ans Herz gelegt) machen ihn unvergesslich. Ein Meilenstein des Sexploitation-Kinos. Die deutsche Fassung wartet, im Gegensatz zur Originalversion, mit einem besonderen Schmankerl auf. Als Anfangssequenz bietet sie Chesty Morgans berühmten Strip aus ihrem Filmdebut TEUFLISCHE BRÜSTE. Diese Szene hat zwar nichts mit dem darauffolgenden Film zu tun, ist aber trotzdem recht eindrucksvoll.

Leider war EIN SUPERHEISSES DING der letzte große Leinwandauftritt der polnischen Striplegende. 1976 spielte sie noch eine Rolle in FELLINIS CASANOVA (von dieser Szene gibt es sehr eindrucksvolle Fotos, angeblich ist sie aber aus dem fertigen Film entfernt worden.). Danach verliert sich ihre Spur im Nichts.

Was immer man ihr auch nachsagen kann, Doris Wishman ist eine besessene Filmemacherin. Obwohl sie heute mit vielen Unwägbarkeiten zu kämpfen hat, ist die mittlerweile bestimmt 80jährige momentan mit der Endfertigung ihres neuesten Werkes DILDO HEAVEN beschäftigt. Wollen wir hoffen, dass dieser erfolgreich genug ist, damit sie noch viele weitere Filme machen kann.

Kurz nach dem SUPERHEISSEN DING dreht Wishman übrigens noch eine Fortsetzung der Abenteuer von Superagentin Jane. THE IMMORAL THREE enthüllt, dass Jane drei Töchter hat. Diese sind die ungewollten Folgen von Spezialaufträgen in aller Welt. Als Jane ermordet wird, machen sich die Mädchen auf die Suche nach dem Täter. Jane wird in diesem Film leider nicht von Chesty Morgan verkörpert. Wahrscheinlich hatte Doris nach ihren unerfreulichen Erlebnissen bei den Dreharbeiten keine Lust mehr, mit der eingebildeten Mimin zu streiten. Statt dessen musste eine sehr viel weniger "gut" gebaute Darstellerin einspringen. Trotzdem ist der Film sehr unterhaltsam geraten und hat einen tollen Popsoundtrack, der sich unerbittlich ins Hirn gräbt und noch sehr lange nachhallt.

© by HEINZ KLETT

 

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