ALIEN - DIE SAAT DES GRAUENS KEHRT ZURÜCK

Originaltitel ALIEN 2 SULLA TERRA
   
Land und Jahr Italien 1979
   
Regie Sam Cromwell [= Ciro Ippolito]
Produktionsfirma G. P. S.
Produktion Ciro Ippolito
Drehbuch Ciro Ippolito
Kamera Silvio Fraschetti
Schnitt Carlo Broglio
Musik Oliver Onions [= Guido e Maurizio de Angelis]
Special Effects Donald Patterly
Kostüme Valeria Valenza
   
Darsteller Belinda Mayne (Thelma), Mark Robin (Roy), Robert Barrese (Burt), Judy Perrin (Maurine), Benny Aldrich, Michael Shaw [= Michele Soavi], Don Parkinson, Vincenzo Falanga, Claudio Falanga u. a.
   
deutsche Erstaufführung 19.03.1982
Verleih Mercator
Format 1:1,85
Laufzeit 85 Minuten (deutsche Kino-Version); 76 Minuten (gekürzte deutsche Kino-Version); Originallänge: 92 Minuten
Home-Entertainment Video:
Greenwood (2 verschiedene Cover).

 

Als Ridley Scott 1978 seinen 10-Millionen-Dollar-Reißer ALIEN drehte, hätte er es sich bestimmt nicht träumen lassen, dass die erste nominelle Fortsetzung ausgerechnet in einer Tropfsteinhöhle spielen sollte! Der nie versiegende Erfindungsreichtum italienischer Exploitation-Spezialisten hatte schon zu so manchem Geniestreich geführt, wenn es galt, fehlendes Budget mit Chuzpe und Wagemut zu kaschieren - Sam Cromwells ALIEN 2 SULLA TERRA erhebt diese Tugenden in den Olymp forscher Tollkühnheit!

Genie und Wahnsinn sind gefragt, als eine Raumfähre dicht vor der Küste von San Diego runterkommen soll. In den Fernsehanstalten werden Sonderschichten geschmissen, und Wissenschaftlerin Thelma begibt sich mit einigen Archäologenfreunden (die wie alles aussehen, nur nicht wie Archäologen!) unter Tage, um dort vermutlich die Auswirkungen dieser NASA-Sensation auf Felsspat und Runkelrüben zu studieren ... Ihr Freund hat einen Bart wie der Erlöser, aber der wahre Superstar in diesem Team ist der ehrenwerte Michele Soavi, welcher wenig später zu einem der vielversprechendsten Horrorfilmer Italiens werden sollte. Hier verrät er noch einen äußerst fehlerhaften Sinn für die Traditionen des Genres, als er einen der vielen in der Wüste herumliegenden Steine aufliest. (Ein namhafter Autor bezeichnete diese Steine als "so eine Art Mischung aus versteinerter Affenscheiße und Amethyst".) Bei dem Klinkerklumpen handelt es sich nämlich leider um ein Monster. Die Mitglieder der Expedition lernen somit, dass Expeditionen in Tropfsteinhöhlen nicht nur unsagbar langweilig, sondern auch höchst ungesund sind - besonders, wenn ein außerirdisches Wesen alle Anwesenden skrupellos verschaschlikt!

Der aus Bella Napoli stammende Regisseur Ciro Ippolito begann als Kinderdarsteller und arbeitete sich unermüdlich in eine Karriere als Drehbuchautor und Produzent hinein (bezeichnenderweise häufig mit "Obersleazer" Alfonso Brescia). Auf der Grundlage von ALIEN 2 SULLA TERRA versuchte er zudem als Regisseur Fuß zu fassen. Einen Fuß fasst er dann auch, aber wahrlich nur seinen eigenen. Was die erregten SF-Fans gedacht haben mögen als sie dieser Granate zum ersten Mal ansichtig wurden, darf sich jeder selbst ausmalen.

Der Karriere von Hauptdarstellerin Belinda Mayne (Tochter des feinen österreichischen Darstellers Ferdy Mayne) war der Auftritt wenig dienlich. Aber dem todesmutigen Zuschauer erschließt sich hier ein wundervoller Einblick in die Welt des Exploitation-Kinos, der mit (Eintritts-) Geld nicht aufzuwiegen ist. Es gibt nur so und so viele Möglichkeiten Felsen geschickt auszuleuchten, und Ippolito zeigt sie alle! Besonders großartig sind die mannigfaltigen Einstellungen von lichtgekränzten Höhlenforschern, deren Abseilungsstrategien von Lichtkaskaden gesäumt sind, die an das Münchner Olympiastadion erinnern. Die Gore-Effekte sind auch so eine Sache: Obschon krude, stellen sie doch die Zurechnungsfähigkeit der FSK-Mannschaft in Frage, welche den Film ab 16 Jahren freigab. Besonders schön ist die berühmte Matschbirne, die nicht nur das Videocover zierte ...

Der Film hat als Trash-Movie einige Qualitäten. So verzaubert etwa die Szene, als die Wissenschaftler in einer Hütte nach einer alten Frau suchen und einer der Suchenden dabei in einem Kühlschrank nachschaut! Ebenso beeindruckend ist das aufregende Finale in der entvölkerten Großstadt, das nicht nur von zahlreichen unabsichtlich eingefangenen Bürgern interessiert beobachtet wird (auch fahrende Autos sind zu sehen!), sondern darüber hinaus an so imposante Orte wie eine einschlägige Bowlinganlage führt. Die Verwendung der subjektiven Kamera macht den Anblick eines echten Monsters (fast) vergessen.

Erwähnt werden muss unbedingt die aufrüttelnde, wenn auch etwas repetitive Musik der Gebrüder De Angelis (die "Oliver Onions" aus den Bud-Spencer-Filmen!), deren beharrliches "Ting-ting-ting-ting" von mir und meinem Sitznachbarn schon bald begeistert gestisch nachempfunden wurde ...

Eines der Komiteemitglieder beschrieb den Film als "genial langweilig", was den besonderen Reiz von ALIEN 2 anschaulich wiedergibt. Wer einen dichten Thriller erwartet, bekommt die Krätze. Wer einen wunderbar tollkühnen "Schlocker" der Güteklasse A-Moll erwartet, bekommt allerdings das Paradies. Und Freunde von Stalaktiten und Stalagmiten kommen sowieso auf ihre Kosten!

Ich weiß nicht, was der Regisseur mittlerweile macht. Vielleicht ist er ja Fremdenführer in den Carlsbad (oder Karlsquell) Caverns geworden. Das wäre ebenso schön wie passend ...

 

© by CHRISTIAN KESSLER

 

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